Rückstellungen im Rechnungswesen
1. Allgemeiner Begriff und Bedeutung
Grundlage für die Bildung von Rückstellungen ist das Vorsichtsprinzip, wie es sich insbesondere aus § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB ergibt. Dazu bestimmt § 249 Abs. 1 HGB, dass Rückstellungen zu bilden sind für
– „ungewisse Verbindlichkeiten,
– drohende Verluste aus schwebenden Geschäften,
– unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung,
– unterlassene Aufwendungen für Abraumbeseitigung,
– Gewährleistungen die Kulanzleistungen darstellen.“
Bei Vorliegen dieser Tatbestände muss eine Rückstellung nach dem Vorsichtsprinzip gebildet werden.
Ein Wahlrecht für die Bildung von Rückstellungen besteht, wenn unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung in der nach der Dreimonatsfrist verbleibenden Zeit des folgenden Geschäftsjahres nachgeholt werden. Ebenso können auch sogenannte Aufwandsrückstellungen gebildet werden. Das Wahlrecht gilt jedoch nur für die Handelsbilanz, für die Steuerbilanz führt es nach der Rechtsprechung des BFH zu einem Passivierungsverbot.
2. Abgrenzung zu anderen Passivposten
Das Hauptmerkmal, das eine Rückstellung von einem anderen Passivposten unterscheidet, ist die vorliegende Ungewissheit. Die Ungewissheit kann sich dabei auf die Höhe der Schuld, aber auch auf die tatsächliche Inanspruchnahme beziehen, wie beispielsweise bei aufschiebend bedingten Lasten.
Als Beispiel für eine Rückstellung wegen ungewisser Höhe sei auf die Gewerbesteuerrückstellung verwiesen, die den Verbindlichkeitsrückstellungen zuzurechnen ist. Ungewissheit bezüglich der tatsächlichen Inanspruchnahme liegt beispielsweise bei einem Prozess- oder Prozesskostenrisiko vor.
3. Rechtliche Grundlagen für den Rückstellungsansatz
Grundvoraussetzung für die Bildung einer Rückstellung ist, dass ein Tatbestand des § 249 Abs. 1 HGB vorliegt. Weitere Voraussetzungen hat der BFH in seinem Urteil vom 01.08.1984 (BStBl 1985 II S. 44) aufgezeichnet. Zunächst muss das Be- oder Entstehen der Verbindlichkeit und die Inanspruchnahme wahrscheinlich sein, das heißt, dass mehr Gründe für als gegen die tatsächliche Inanspruchnahme sprechen. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Beurteilung des Kaufmann an, die Entscheidung ist nach objektiv erkennbaren Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu treffen. Außerdem muss die ungewisse Verbindlichkeit spätestens bis zum Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht sein. Das ist dann der Fall, wenn die Verbindlichkeit so eng mit Geschäftsvorfällen des abgelaufenen Geschäftsjahres verknüpft ist, dass sie wirtschaftlich als Belastung dieses Jahres verstanden werden kann.
4. Wertbeeinflussung und Wertaufhellung
Die Tatsachen, die für eine ungewisse Verbindlichkeit sprechen, müssen bereits am Bilanzstichtag vorliegen, das heißt, die Ursachen für die Rückstellung müssen im abgelaufenen Geschäftsjahr begründet worden sein. Allerdings müssen die Tatsachen am Bilanzstichtag dem Unternehmer noch nicht bekannt sein. Es genügt, wenn er sie bis zur Bilanzaufstellung erkennt.
5. Rückstellungsfälle
5.1 Gewerbesteuerrückstellungen
Das typische Beispiel für Verbindlichkeitsrückstellungen, bei der Ungewissheit nur bezüglich der Höhe besteht, ist die Gewerbesteuerabschlusszahlung für das abgelaufene Wirtschaftsjahr (Geschäftsjahr). Die Ungewissheit ergibt sich dadurch, dass einerseits die Gewerbesteuer sich zu einem wesentlichen Teil aus dem Gewinn bemisst, andererseits aber der Gewinn auch von der Höhe dieser Steuer abhängig ist.
5.2 Garantierückstellungen
Eine weit verbreitete Rückstellungsart stellen die Garantierückstellungen dar. Sie werden gebildet für wirtschaftliche Lasten, die sich aus gesetzlichen und vertraglichen Gewährleistungen ergeben, aber auch für Gewährleistungen ohne rechtliche Verpflichtung. Garantierückstellungen spielen insbesondere beim Baugewerbe eine bedeutende Rolle.
5.3 Prozessrisikorückstellungen
Die Prozessrisikorückstellung gehört zu den Verbindlichkeitsrückstellungen, bei denen die tatsächliche Inanspruchnahme in der Regel ungewiss ist.
5.4 Prozesskostenrisikorückstellungen
Diese Rückstellung kann sowohl beim Beklagten als auch beim Kläger in Betracht kommen. Die Gerichts- und Anwaltskosten müssen von den Beteiligten entweder allein oder auch gemeinsam getragen werden.
5.5 Vorübergehende Wertminderungen bei Sachanlagen
Unterlassene Instandhaltungsrückstellungen können außer für Gebäude auch für andere Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens in Betracht kommen, beispielsweise für Fahrzeuge oder Maschinen, die am Bilanzstichtag reparaturbedürftig waren, aber erst im folgenden Geschäftsjahr repariert wurden. Diese Möglichkeit ersheint besonders unter dem Gesichtspunkt von Bedeutung, dass nach § 279 HGB Kapitalgesellschaften vorübergehende Wertminderungen beim Anlagevermögen nur noch bezüglich der Finanzanlagen berücksichtigen dürfen.
6. Rückstellungsauflösung
Rückstellungen sind aufzulösen, wenn die Voraussetzungen für ihre Bildung nicht mehr vorliegen. Eine vorhergehende Auflösung ist unzulässig. Die Rückstellungsverrechnung mit entsprechenden Aufwendungen ist erfolgsneutral, eventuell bereits gebuchter Aufwand ist bei der Abschlussvorbereitung zu stornieren. Die Auflösung nicht mehr benötigter Rückstellungsbeträge erhöht den Gewinn als Ertrag.
7. Buchmäßige Behandlung von Rückstellungen
Die Rückstellungsbildung ist eine Maßnahme, die zu den Abschlussvorbereitungen zählt. Vor jeder Buchung steht dabei die Klärung der Frage, ob überhaupt Rückstellungen zu bilden sind und wenn ja, für welche Tatbestände und in welcher Höhe. Die Höhe der Rückstellung wird meist nur durch Schätzung ermittelt werden können.